Stattdessen wurde ich Mutter
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit einigem Zögern bewerbe ich mich als Gast in Ihrer Residenz für Schriftstellerinnen. Denn mich eine Schriftstellerin zu nennen fällt mir schwer. Ich bin vielleicht 1% Schriftstellerin. Obwohl ich schon mit acht Jahren wusste, dass ich unbedingt einmal eine werden möchte. Stattdessen wurde ich Mutter.
Vor 17 Jahren wurde mein Sohn geboren und seitdem gab es keine Chance, dem Schreiben jenseits vom Broterwerb mehr Raum zu geben. Nachdem ich vor 12 Jahren bei meinem damaligen Ehemann ausgezogen bin, wurde meine Lage prekär: Immer wieder kam es vor, dass ich im Discounter einen Einkaufswagen voller Milch, Käse, Möhren, Kartoffeln, Saft, Brot etc. stehen lassen musste, weil am Ende des Monats das Konto nicht gedeckt war. Scham.
Nie wieder arm zu sein war daher das einzige, was lange zählte. Dank meines Stipendiums bei der Heinrich-Böll-Stiftung schaffte ich es, mein Studium abzuschließen. Nebenher arbeitete ich als freie Journalistin, Autorin und Podcasterin. Erst seit ein paar Jahren kann ich sagen, dass ich mein Ziel erreicht habe. Dass ich nicht mehr arm bin. Ich kann sogar mit meinen Kindern Urlaube machen und für schlechte Zeiten etwas Geld beiseite legen. Das kann ich auch, weil ich 2017 eine eigene Firma gegründet habe.
Was bisher geschah
Im März 2021 begann ich mein Fernstudium „Prosaschreiben“ bei der Textmanufaktur. Im Februar 2024 schloss ich es ab. Erfolgreich, würde ich sagen, denn letztes Jahr fing ich an, meinen ersten Roman zu schreiben. Zusammen mit meiner Lektorin entwarf und überarbeitete ich mehrere Kapitel, ein Storyboard entstand. Leider wollte das Leben dann nicht mehr so wie ich wollte: Berufliche Krisen, ein Trauerfall und eine private Krise nahmen mich komplett in Beschlag, und der Roman lag zehn Monate lang auf Eis. Aber er wird kommen.
Vier Bücher, alles Sachbücher, habe ich geschrieben. Sie alle haben mir geholfen, mich als Publizistin und feministische Stimme zu etablieren. Sie handeln von Emanzipation, Sexualität, Feminismus und – mein letztes Buch – dem Leben von Beate Uhse, einer Unternehmerin und Pionierin der deutschen Sexualaufklärung. Eine Zusammenfassung meiner Arbeit hänge ich an.
Ein weiteres Sachbuch entsteht gerade: Zusammen mit meinen beiden Kolleginnen von „Feminismus für alle“, ein Podcast, den ich 2013 gegründet habe, arbeiten wir an einem Feminismus-Buch, das 2025 erscheinen wird – das Exposé finden Sie anbei. Bis zur Abgabe des Buches werde ich also wieder keine Zeit für meinen Roman finden. Denn als alleinerziehende Chefin sind die Zeiträume, die für Kreativität und Schreiben bleiben, sehr rar. Nur an den Wochenendvormittagen schaffe ich es, zwei Stunden am Stück zu schreiben.
Darum sehne ich mich nach einer Möglichkeit, 100% meiner Zeit dem Schreiben zu schenken. Jetzt, da auch mein jüngstes Kind alt genug ist und zwei Wochen ohne mich sein kann, möchte ich diesen lang gehegten Traum angehen.
Jetzt ist es soweit. Ich bin flügge.
Ich möchte, wie Orwell sagt, eine Zeugin meiner Zeit werden – ihrer Konflikte, Repressionen, Schatten. Deswegen wird mein Roman die Geschichte einer Frau, die sich aus gewaltvollen Abhängigkeitsverhältnissen befreit – mein Feminismus wird auch in ihm leben.
Um diesen Roman zu schreiben – vielleicht sogar zu vollenden, würde ich wahnsinnig gern im Sommer 2025 Ihre Residenz besuchen, fernab von allen Ablenkungen. Ich bekomme am Tag über 100 Emails und ich wünsche mir eine Zeit, in der das einfach egal ist, einen Raum, der nur dem Schreiben gehört.
Ein Zusammenfassung meiner Arbeit, hänge ich an.
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Eine Zusammenfassung meiner Arbeit hänge ich an.
ha! danke
Ich drücke ganz fest die Daumen (& werde dann bei Gelegenheit Vorbestellen!)
WOW, DER Beweis, dass du schreiben musst.
oh, danke!